Ich habe schon oben gesagt, daß uns der Befehl bekannt gemacht wurde, die Festung niemandem, wer es auch sei, ohne ausdrückliche Genehmigung des Kaisers von Oesterreich zu öffnen; es ließ sich hieraus vermuthen, daß eine Allianz mit dieser Macht entweder schon geschlossen sei, oder doch im Werke seyn müsse. Unverbürgten Nachrichten zufolge, waren die Franzosen schon in Eilenburg und hatten sich in Marsch nach Torgau gesetzt; allein viele fanden dieß unwahrscheinlich, als plötzlich ein Adjutant des General Reynier die unerwartete Nachricht brachte, daß sein General würklich auf dem Marsch hieher sei, daß wir seinem Kommando aufs neue übergeben worden, und wieder wie vordem das 7te Armeecorps bilden sollten. Doch von alledem wollte der Gouverneur nichts wissen, er ließ zurücksagen, er könnte ihn nicht eher einlassen, als bis er ausdrücklichen Befehl vom Könige von Sachsen oder vom Kaiser von Oestreich dazu bekäme, Reynier schickte ihm hierauf die lakonische Erklärung zu: Er würde kommen; Thielmann ließ ihm eben so lakonisch antworten: das stände bei ihm, er für sein Theil würde ihn mit Kartetschen und Granaten erwarten. Hierauf ersuchte ihn Reynier, nach seiner schnell erfolgten Ankunft vor der Stadt, um eine Unterredung vor dem Glacis der Festung, welche ihm auch zugesagt ward. Um      2 Uhr desselben Tages erschien denn letzterer in Begleitung seiner Adjutanten und beide Generale hielten sich über 2 Stunden lang auf einem Feldreihn sitzend, wobei Reynier durch viele und öftere Gestikulationen jenem die Bewegungen zu beschreiben suchte, welche Napoleon theils schon gemacht hatte, theils noch machen wollte, um die Russen von Dresden nach Asien zurückzumanövriren. Die Garnison war während dieser Unterredung unter dem Gewehr; und man erwartete nur den Wink des Gouverneurs, um die am Walde bei Zinna aufgestellten französischen Colonnen zu begrüssen. Allein alles endigte sich in Frieden; die Sprechenden gingen auseinander, jedoch blieb die Festung dem General Reynier verschlossen.

   Die Franzosen bezogen nun einen Bivouac bei Zinna und alles harrte der Dinge die da kommen würden; sie kamen denn auch endlich, aber leider uns allen noch zu früh, und zwar in der Person eines königlichen Botschafters, welcher den ausdrücklichen Befehl zur Oeffnung der Festung an die Franzosen dem Gouverneur überbrachte. Dieser Befehl schien also den früher gegebenen förmlich zu desavouiren; aber wir sollten gehorchen und nicht grübeln. Noch diesen Abend versammelte der General Thielmann sämmtliche Chefs, um ihnen bekannt zu machen, daß er entschlossen sei, die Festung den Franzosen zu öffnen und so seine Plicht gegen den König von Sachsen zu erfüllen; da aber seine Grundsätze ihm nicht erlaubten, fernerhin für einen fremden Unterdrücker gegen Deutschlands und Europas gute Sache zu fechten, so würde er unmittelbar nach der Uebergabe mit seinem Chef d` Etat Major zu den Russen gehen. Diese Eröffnung erregte ein allgemeines Staunen unter der Garnison; der Wunsch, auch unter diesen Umständen dem geliebten und geehrten Anführer folgen zu dürfen, äußerte sich in einem lauten allgemeinen Gemurmel; allein er gebot Stille und man gehorchte.

   Er verließ gegen Abend in der Stille die Stadt; wenig Worte aus seinem Munde hätten hingereicht, und die ganze Garnison wäre ihm gefolgt; durch einen Generalmarsch, welchen niemand wollte anbefohlen haben, aufgerufen, stand sie schon unterm Gewehr, seines Winks genwärtig. Als dieser nicht erfolgte ging sie gegen Mitternacht wider auseinander, und alles, der Soldat wie der Bürger, legten sich voll banger Erwartung der Zukunft nieder. Des andern Tages wurde die Festung geöffnet, und bald wimmelte die Stadt von Franzosen aller Art. Um 9 Uhr hielt der General Reynier eine Revue über die Truppen, und diesen und den folgenden Tag defilirte das 3te Arnteecorps und die Division Lauriston durch die Stadt und über die Schiffbrücke, um jenseits der Elbe Position zu nehmen; das Hauptquartier war in der Stadt, welcher es nun wieder an ungebetnen Gästen nicht fehlte. Alle Häuser der Stadt waren schon mit dreifacher Einquartirung beschwert, als auch noch der Graf Lauriston mit einer Suite von einigen 60 Obristen und Adjutanten und über 150 Bedienten u.s.w. anlangte; die Häupter der Stadt schlugen die Hände über den Kopf zusammen, aber es half nichts, auch dieser mußte einquartiert werden wie auch der Herzog von Elchingen, welcher die Zimmer bezog, die kurz vor ihm der Gouverneur bewohnt hatte.

   An demselben Tage noch hatten die gegenseitigen Vorposten sich eine Abschiedsfete gegeben, und die Russen erfuhren zuerst von ihnen die Ankunft der Franzosen, welche auch ihre leichten Truppen sogleich zurückdrängten. Noch muß ich hier die Bemerkung machen, daß die französischen Officiers eine ganz eigene Art Dickfelligkeit (man verzeihe diesen Ausdruck aber er ist passend) haben, denn sie sind in gewissen Fällen auch gegen die gröbsten Beleidigungen nicht im mindesten emfindlich, und lassen sich oft Mißhandlungen gefallen, die ein russischer Cosack oder ein östreichischer oder preußischer Grenadier gewiß nachdrücklich ahnden würde. Einige Beispiele mögen als Beleg dieser Behauptung dienen:

   Ein französischer Major vom Generalstab des Herzogs v. Elchingeu geht mit seinem Billet nach seiner Hausnummer, um sich sein Quartier anweisen zu lassen, unglücklicherweise kömmt er in eine Stube, wo schon einige sächsische Grenadiers lagen, er befiehlt ihnen die Stube zu räumen, sie machen Einwendungen, aber der Major wird grob; die Grenadiere noch gröber; kurz nach östern ripostiren warfen endlich die letztern den Major ohne Umstände zur Thür hinaus. Er ging unmittelbar nach erlittenem Affront nach dem Rathhause und ließ sich ein anderes Billet geben.

   Er erzählte hierauf den Vorfall seinen Kammeraden; indem er hinzusetzte: ils se sont mepris, cependant ils auroient pu se comporter mieeux. Eh bien javais plus be soin de manger que de me venger; jai-etecher -cher un autre logement et làffaire est restee la.

   Schlimmer noch ergieng es einem andern, welcher sich einfallen ließ einige Bunde Heu zu nehmen, die neben zwei Pferden lagen; ein dabei als Schildwacht gestellter Zimmermann, versteht diesen Spaß unrecht, reißt ihm das Heu weg, packt ihn an der Brust und wirft ihn mit solcher Gewalt an die Mauer, daß er Hut und Reitgerte verlohr, der Franzmann hebt alles ganz gelassen wieder auf und entfernt sich aufs schnellste im Gefühl seines Unrechts, indem er dabei ausruft: il est bien incommode de faire la guerre dans un pays ou lòn parle avec les mains au lieu de sèx pliquer de bouche.