Kapitel 1

Ich war kaum von einem unbeschreiblich mühevollen Commando nach dem Oestreichisch und Sächßs. Auriliar Corps in der Gegend von Minsk in Oestreichisch Pohlen zurückgekommen, als ich zum Exerzieren der neuen Leute, welche man in Sachsen durch eine zweite große Recrutenaushebung zusammengebracht hatte, nach Torgau geschickt wurde. Ich reisete demzufolge den 25.Febr. 1813. von Dresden zu meiner neuen Bestimmung ab, und sah mich gezwungen meinen Weg am linken Elbufer hin zu nehmen, da das rechte schon der herumstreifenden Cosacken wegen nicht mehr völlig sicher war.

   Bei meiner Ankunft in Torgau erfuhr ich, daß der General Zeschau das Commando der Festung an den General Thielmann übergeben hatte und sofort nach Leipzig abgereiset sey. Ich fand die Officiere der Garnison sehr begierig nach Neuigkeiten; ich tauschte willig die meinigen gegen die ihrigen aus und erkundigte mich nun nach dem, was auf mein Hiersein Bezug hatte. Die Festung war mit Rekruten angefüllt, deren täglich immer mehr aus den Depots anlangten und sogleich montirt und in Compagnieen und Bataillons formirt wurden. Die Franzosen setzten immer noch ihren Rückzug auf Leipzig fort, wohin denn auch das Hauptquartier des Vizekönigs von Italien kam. General Thielmann ließ zur Erleichterung ihres Marsches eine Schiffbrücke oberhalb der Festung schlagen, jedoch war ihnen jeder Zutritt in dieselbe streng untersagt. Der General hielt den folgenden Morgen nach meiner Ankunft eine Revue über sämmtliche Garnison, welche aus einem Bataillon Garde zu Fuß, und 6 neuen Infanterie Bataillons bestand, welche durch ihre militairische Haltung, und genaue Ausführung aller Evolutionen seine völlige Zufriedenheit einärndeten. Er bezeugte den  Bataillon=Chefs seinen Dank für den Fleiß aller Ober und Unterofficiers , deren eiserner Gedult es gelungen war aus diesen Marmorblöcken passable Soldaten zu schaffen.

   Freilich erschienen sie neben den Veteranen der Grenadier=Garde, welche den Rekruten ihre hohe Superiorität in ihrem ganzen Umfange fühlen ließen, wie unbärtige Knaben; allein dieß munterte sie noch mehr auf, jenes hohe Muster zu erreichen, und dieser Wetteifer erleichterte den zum Exerzieren commandirten Offcieren und Unterofficieren ungemein diese eben so langweilige als beschwerliche Arbeiten. Kaum graute der Morgen, so gieng der Spectakel los, und dauerte, eine Stunde zum Essen abgerechnet, den ganzen Tag, wo denn Exercieren, Musterungen, Zielschießen, Schanzen, und Unterhaltungsstunden in bunter Abwechselung an die Reihe kamen. Das erstere geschah, so lange der Feind die Elbe nicht passirt hatte, außerhalb der Festung längs dem großen Teiche, als aber die Kosacken über die Elbe waren und die Festung umschwärmten, wurden wir auf die engen Räume innerhalb der Aussenwerke beschränkt.

   In dieser Epoche wurden auch die Vorstädte vollends niedergerissen, und an den Forts Zinna und Mala als den wichtigsten Punkten der Festung sehr fleißig gearbeitet. Nun hatten alle Franzosen das rechte Elbufer geräumt und schon zeigten sich feindliche leichte Truppen welche mit unsern Vorposten plänkelten und einzelne Dörfer besetzten. Das 7te Armeecorps, welches indessen bei und in Dresden gestanden hatte, theilte sich daselbst; die Division Dürütte blieb dort zurück und der General Lecoq brach mit dem Ueberreste nach Torgau auf, welchem Ort er sich in kleinen Tagemärschen nahete.

   Diese tapfern Ueberreste eines schönen Corps wurden nebst ihrem ruhmwürdigen Anführer ihren Verdiensten gemäß empfangen; die ganze Garnison war en haye aufgestellt und brach bei ihrem Anblick in ein lautes ungekünsteltes Freudengeschrei aus, sie defilirte alsdann bei dem General Lecoq vorbei, welcher über ihr gutes Aussehen und Genauigkeit in allen Bewegungen seine große Zufriedenheit bezeigte. Die Garnison wurde nun in 2 Brigaden eingetheilt, deren eine der General Nostitz, die ander der General Sahr erhielt; ein Bataillon wurde in das Fort Zinna verlegt und alle 4 Lünnetten verhältnißmäßig stark besetzt.

   Der Feind hatte nun die Elbe gäzlich passiert und zeigte sich bald auch am linken Ufer; alle Communication ward dadurch völlig abgeschnitten, jedoch verschafte uns die Erklärung, daß die Festung als neutral betrachtet werden solle, wenigstens in derselben Ruhe, und auch ausser derselben wurde das gute Verehmen nach einigen geschlichteten Mishelligkeiten zwischen den Vorposten völlig wieder hergestellt. Diese waren schon im Anfang, als sie erfuhren, daß keine Franzosen in der Festung wären, so artig gewesen, keine Zufuhren an Lebensmitteln aufzuhalten; jetzt nach geschlossener Convention waren sie die besten Freunde und wir haben manche vergnügte Stunde zusammen zugebracht. 

   Der einzige Unglückliche war der Natchtwächter von Werda, einem nah an der Stadt gelegenen Dorfe, welcher unglücklicherweise auf einige französische Vedetten stieß und mit dem gewöhnlichen halte-la ! qui vive! angerufen wurde - aber freilich nicht antwortete, weil er taub war, diesen Naturfehler mußte er mit dem Leben büßen.